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  • Naja, das 90er Perzentil schrammt ja auch gerade so über die 1 Mio. Grenze, da werden dann zusätzlich ~200-600 Euro Vermögensteuer fällig. Ich glaube, das schaffen die.

    Wie genau sich die Kurve im oberen Perzentil gestaltet, darüber ist die Datenlage leider mau, aber wenn sie so verläuft wie beim Rest, wären auch die weiteren 9% dieser Altersgruppe mit überschaubaren Beträgen belastet.

    Und wenn das Vermögen nicht nur in der Immobilie gebunden ist, dann wird es ja umso leichter für die Betroffenen. Dann erwirtschaftet das Vermögen ja genug Rendite, um die paar hundert bis tausend Euro zu zahlen.

    Im Übrigen empfehle ich das BVerfG Urteil zu studieren. Da wurde die Erhebung des Immobilienwertes bemängelt. Witzigerweise ist das Problem mit der jüngst durchgeführten Anpassung der Grundsteuer quasi erledigt, da wurde ja äußerst ähnlich geurteilt, gibt also eine schöne Blaupause.


  • Die aktuellsten Werte (2018) des statistischen Bundesamtes sagen, dass ca. 1,5% der Haushalte Immobilien über 1 Mio. Euro Verkehrswert besitzen. Das ist schon mal nicht jeder 10. Rentner. Du überschätzt, trotz verrückter Immobilienpreise, wie viele Häuser tatsächlich 1 Mio. aufwärts wert sind.

    Als anekdotisches Beispiel: meine Eltern leben in gut gepflegter Altbauvilla in U-Bahn Nähe in Frankfurt. Beste Stadtlage also, mit ordentlichem Grundstück. Selbst da ist der Verkehrswert “nur” 1,4 Mio. Das wären dann 4000 Euro im Jahr Steuern. Dat können die sich leisten. Aber sie müssten gar nicht, weil früher die Vermögensteuerfreibeträge in Ehe auch addiert wurden. Die würden also 2 Mio. Freibetrag bekommen, und müssten gar keine Vermögensteuer (für das Haus) zahlen.

    Darüberhinaus, wenn das Problem der Rentner in eigener Immobilie wirklich zu solch massiven Verwerfungen führen würde (Spoiler: würde es nicht, s.o.), dass die dann alle am Hungertuch nagen müssten, dann könnte die Politik ja ganz gestalterisch einfach die Grundsteuer senken. Wird dann für Immobilienbesitz ein Nullsummenspiel, aber die ganzen großen Vermögen würden endlich mal ordentlich besteuert.



  • Zum “Hörensagen Wissen”: ich wäre ganz vorsichtig, irgendwelche Ableitungen für Verhalten aus “natürlicher Evolutionsbiologie” zu schließen. Irgendwelche random Artikel sind meistens über einzelne Studien, die keine breite Untersuchung repräsentieren. Wenn man sich mal ein wissenschaftliches Standardwerk darüber reinfährt, wie z.B. Basics in Human Evolution, das eine breite Übersicht bietet, dann ist der aktuelle Stand der Wissenschaft, dass v.a. in Jäger-/Sammler-Gesellschaften die (sexuelle) Polygamie deutlich überwiegt. Lies: beinahe alle menschlichen Gesellschaften kennen das Konzept Heiraten, aber bei der Reproduktion wird in archaischen Gesellschaften wild durcheinander gewechselt (S. 471, 90% der Jäger-/Sammler-Gesellschaften erlauben reproduktive Polygamie, nicht wenige haben die sogar ritualisiert und ermutigen damit sogar dazu). Mit dem Übergang zur Landwirtschaft und je höher die Organisationsform einer Gesellschaft wird, desto mehr sind monogame reproduktive Systeme die Norm. Wenn es also einen “Naturzustand” gibt, dann eher mit wild wechselnden Partnern. D.h. im Umkehrschluss ist das Sexualverhalten in unserer Gesellschaft eher gesellschaftlich bestimmt, nicht biologisch. Wenn du also beobachtest, dass in Partnersuchforen mehr Männer als Frauen unterwegs sind, dann hat das keine biologischen Ursachen, sondern gesellschaftliche Ursachen. Es ist also mitnichten “unnatürlich” für Frauen mit random Männern Sex zu haben, sondern v.a. gesellschaftlich geächtet.

    Das Zweite ist, wie du selbst schon schreibst, dass statistische Aussagen keine Aussagen über das Individuum sind. Wenn im Schnitt Männer größer sind als Frauen, heißt das nicht, dass jede Frau kleiner als ich sein muss. D.h. es gäbe vmtl. genug Individuen, die es erfüllend finden, sich zu prostituieren. Jeder Jeck is anners.

    Zu dem Thema Porno und Prostitution: du vergleichst schon wieder unterschiedliche Ausprägungen: auch in der Pornografie gibt es Zwang und Ausbeutung. Klar gibt es Pornostars, die sich aussuchen können, wann sie wo mit wem welche Inhalte drehen. Die gibt es bei Prostituierten auch. Nennt man dann meisten fancy Escort, aber da gibt es auch ein Level, wo sich die Dienstleister aussuchen mit wem, ob es überhaupt zum Sex kommt etc. pp. Und dann gibt es die Pornos und Prostituierten, die das unter Zwang machen müssen, mit ungleichen Machtdynamiken.




  • Uns geht es ja eigentlich sogar ziemlich gut

    Ja, das ist ja, was mich oft im Westen so wundert. Ich meine, im Osten auf den Käffern geht es den Dagebliebenen materiell auch gut, aber da ist halt die Nahversorgung tot und jedes zweite Haus steht leer und verfällt. Aber bspw. in Bayern oder RLP auf dem Land ist das merkwürdig: da fährste durch brummende Käffer, Nahversorgung da, alle wohnen auf 1000 qm Grundstücken, in nigelnagelneuen 250 qm Häusern, zwei neue Autos im Carport, Solaranlage auf dem Dach, Küchenausstattung einmal alles von Miele und dann 40% AfD. Deswegen glaube ich, dass dieses “und ZUSÄTZLICH muss die Wohlstandsentwicklung nach oben zeigen” ganz elementar ist.

    Adorno hat da den Nagel auf den Kopf getroffen. Er schrieb, dass Extremismus immer dann Oberwasser hat, wenn zentrale gesellschaftliche Versprechen nicht eingehalten werden. Und diese nicht eingehaltenen Versprechen sind mMn derzeit

    • Mir und meinen Kindern wird es immer besser gehen
    • Alle sind vor dem Gesetz gleich

    Deswegen glaube ich ja, dass die Menschen in ihrem diffusen Gefühl recht haben. Geisterte ja auch gerade dieses Video von Moritz Neumeier in der heute Show durch den Äther, da trifft er es auch. Die gefühlte Ungerechtigkeit ist ja real, aber es fehlt offensichtlich an der intellektuellen Fähigkeit, die echten “Schuldigen” zu identifizieren. Und da meine ich halt, das könnten die etablierten Machthabenden in den Griff bekommen. Aber das tun sie irgendwie nicht. Und den Mechanismus warum sie das nicht tun, habe ich irgendwie noch nicht durchstiegen.






  • Meinst du nicht, dass diese Wähler nicht auch explizit die Gesellschaftspolitik der 50er haben wollen?

    Weiß nicht, glaube nicht, dass sie das stark genug wollen, ehrlich gesagt. Wenn das verfestigtes Verlangen wäre, hätte die NPD oder Republikaner oder sonst wer ja schon in den 90ern beinahe 40% und mehr einfahren müssen.

    Ich vermute, dass es den meisten Menschen eigentlich grundlegend egal ist, wer um sie rum wohnt und Dinge tut. Solange es den Leuten gut geht UND es so aussieht, als würde es immer besser, ist alles andere herzlich egal. Deswegen sind es nicht nur die wirtschaftlich abgehängten, weil das Versprechen des Wohlstandsfortschritts zugunsten der besitzenden Klasse aufgegeben wurde.

    Einfach nur stumpf ein Beispiel: die medizinische Versorgung wird flächendeckend schlechter. Auf dem Land gibt es keine Ärzte mehr, alle sinnvolle Versorgung kostet extra und dreifach, Facharzttermine, Kinderarztplätze etc. bekommt man gar nicht mehr. Wenn da dann jemand kommt und sagt “Die Geflüchteten nehmen euch die Arzttermine weg” dann ist das Stuss, aber deutlich weniger kompliziert als “Das Gesundheitssystem wurde zerstört, weil die Gierigen dieser Welt das Geld haben wollen, dass wir sonst für eine gute Versorgung ausgeben könnten”. Und v.a. die Lösung erscheint dann deutlich einfacher und schneller umzusetzen. Und dieses Muster kann ich auf alle Probleme anwenden. Gerade im Osten. Im Westen hatten wir ja noch den Vorteil, dass das Wohlstandsversprechen 2-3 Generationen aufging. Im Osten war der Wohlstandsfortschritt zu DDR Zeiten langsamer, dann kam mit der Wende nochmal der Double Down des Versprechens und passiert ist quasi nichts. Au contraire, die neuen Bundesländer wurden sogar noch früher abgezogen als der Westen.

    Jeden Wandel kann ich ja positiv gestalten, mit Vorteilen für alle Menschen, aber das tun die Etablierten ja nicht. Und die Lösungen der progressiven “Radikalen” sind zwar meistens richtig, aber brauchen 5 Schritte in der Erklärung, da schaltet man gerne ab, eben genau weil es vielen eigentlich egal ist.